Der SenaTorre ist vollendet. Jetzt wurde der 13,5 Meter hohe gotische Turm im Weinberg in Fessenbach, einem der schönsten Ortsteile Offenburgs, enthüllt. Das Bauwerk nach einem Entwurf des Mailänder Architekten Roberto Peregalli widmet Initiator und Auftraggeber Hubert Burda seinem Vater, Senator Franz Burda, „in Dankbarkeit und zur Erinnerung“.
Der Media Tower,1963 von Senator Franz Burda (1903-1986) erbaut, prägt das Gesicht seiner Heimatstadt Offenburg. Von seinem Schreibtisch im 13. Stock blickte er wie die bronzene Statue Gutenbergs zu Füßen des Hochhauses in Richtung Straßburg und in das Oberrheintal, wo großartige Innovationen geschaffen wurden. Hier hielt der Verleger und Drucker als eine der Gründerpersönlichkeiten der deutschen Nachkriegszeit die Geschicke seines Burda-Imperiums in der Hand. Muse, Inspiration und Kraft fand er in der Natur, in dem vier Kilometer Luftlinie entfernten Weinort Fessenbach, wo er 1968 das Seebach'sche Schlösschen erwarb. Das „Schlössle“, wie es hier heißt, und die umliegenden Weinberge waren sein Paradies vor der Haustüre – und sind noch immer ein magischer Ort für Verleger Hubert Burda. Die Liebe zur badischen Heimat, das Interesse an Geschichte, Baukunst und Mystik verbinden Vater und Sohn. „Unseren Ort der Poesie“ nennt Hubert Burda das Fessenbacher Kleinod.
Hier verbrachte der Senator „die glücklichsten Stunden des Tages“: „Inmitten der Rebzeilen schöpfe ich das ganze Jahr über Kraft“, schrieb er 76-jährig an einem blanken Holztisch in seiner geliebten „Franzensstube“, die er 1963/64 seitlich des Schlösschens hatte erbauen lassen. Bereits Ende der 1950er Jahre hatte er das Land um Schloss Seebach von Baronin Elsbeth von Seebach gepachtet und sich ein Vorkaufsrecht auf das 1786 im Maria-Theresia-Stil erbaute Gebäude gesichert. „Den Ausschlag für meinen Kaufentschluss gab nicht der materielle Wert des Anwesens, sondern vielmehr die fantastische Südlage“, begründete er. Nachdem anfänglich Wohnungen für Mitarbeiterinnen von „Burda Moden“ eingerichtet wurden, bezog 1976 Hubert Burda das Schlössle und richtete sich im zweiten Obergeschoss ein Atelier mit Blick auf die Weinberge ein.
Franz Burdas Freund Eugen Lang, Vorsitzender des Badischen Weinbauverbands, war es, der ihm geraten hatte, hier Reben anstelle von Obstbäumen anzupflanzen. Seinen neu angelegten Weinberg taufte der Senator „Franzensberg“, den Wein, der aus seinen Trauben gekeltert wurde, „Franzensberger“. Angebaut wurden fünf Rebsorten: Riesling, Müller-Thurgau, Ruländer, Gewürztraminer und Burgunder – die traditionellen Gewächse der benachbarten Qualitätslagen rund um Durbach, Fessenbach, Gengenbach, Ortenberg, Rammersweier und Zell-Weierbach. „Ist es nicht etwas Wunderbares, im Herbst des Lebens noch zu entdecken, dass die Hand, die die Feder zu führen gewohnt ist, auch das Winzermesser zu führen weiß?“, schwärmte der Senator.
In seine „Franzensstube“ lud er zu fröhlichen Jagdgesellschaften, bei denen Politiker wie Franz Josef Strauß und Walter Scheel, Krupp-Manager Berthold Beitz, Tierfilmer Heinz Sielmann und Boxlegende Max Schmeling zu Gast waren. Gemeinsam wurde musiziert und gesungen. Aber auch Präsentationen neuer Verlagsobjekte wie „Mein schöner Garten“ fanden hier statt. Und, wie später für Hubert Burda, boten dieser Platz und die schmalen Wege durch die Weinberge stets Freiräume, um nachzudenken und neue Ideen zu entwickeln.
Bei einem dieser Spaziergänge fasste Hubert Burda den Gedanken, eine Art Kapelle zu errichten, wie sie als Ort der Einkehr und Schutz gegen Unwetter in den Reben üblich ist. Die Vorstellung spitzte sich zu und konkretisierte sich in einem bleistiftartigen, sich nach oben verjüngenden gotischen Turm, der den Blick in den Himmel führt. Er ist eine Reminiszenz an die Baumeister der Münster in Freiburg und Straßburg, welches schon Goethe mit einem „hocherhabenen, weitverbreiteten Baume Gottes“ verglich. Das Erhabene, das Sublime, hatte den Senator stets ebenso fasziniert wie das Naturerlebnis und die Schönheit der Schöpfung. In einem eigenen Vers hatte er formuliert: „Herr, beschütze unser Land, uns're Laub- und Tannenbäume, Menschen, Wald und Lebensräume, alles liegt in deiner Hand!“
Die Verknüpfung von Wein und Religion ist fest im Christentum verankert. Bereits im Alten Testament pflanzt Noah einen Weinberg, und Mose kehrt mit einer Traube aus Kanaan zurück. Beim Letzten Abendmahl bricht Jesus das Brot und reicht seinen Jüngern einen Kelch mit Wein. Seither stehen Brot und Wein im Mittelpunkt der Eucharistiefeiern aller christlicher Kirchen. Die Wandlung in den Leib und das Blut Christi symbolisiert eine wirkliche Wandlung des Wesens. Der Wein wird zum Symbol des Lebens. Kein Wunder also, dass sich von Beginn des Mittelalters an Mönche, allen voran die Benediktiner, dem Weinbau widmeten und die besten Lagen bewirtschafteten. Im kirchlichen Gesetzbuch „Codex Iuris Canonici“ wurde ein Reinheitsgebot für den Messwein festgeschrieben, dessen Einhaltung das Heilige Offizium, die oberste Glaubensbehörde, überwachte.
Wie die Triebe des Rebstocks dem Licht entgegenwachsen, strebt auch der gotische Turm nach oben. Der SenaTorre inmitten der Weinberge ist für Hubert Burda der Erinnerungsort an den Vater, dessen Lebenswerk er weitergeführt hat. Er passt zu Franz Burda, der der Natur verbunden und der Tradition verpflichtet war, der beide Beine auf dem Boden und den Kopf in den Wolken hatte und selbst ein Meister im Erschaffen neuer Bauwerke war, die seine Heimatstadt geprägt haben.
Erinnerungen von Hubert Burda I
MIT DEM VATER ...
Als Kind nahm mich der Vater oft mit nach Fessenbach. Genau an dem Platz, wo der Turm heute steht, sagte er: „Von hier aus hat man die beste Aussicht auf den Straßburger Münsterturm.“ Er erzählte mir von dessen Baumeister, Erwin von Steinbach, der um 1244 in der Nähe von Baden-Baden geboren wurde. Und natürlich von Johannes Gutenberg, der zwischen 1434 und 1444 in Straßburg seine bahnbrechenden Erfindungen gemacht hatte. Hier entwickelte er die revolutionäre Methode, Bücher mit beweglichen Lettern aus gegossenem Metall zu setzen. Die Druckkunst war dem Vater ungeheuer wichtig, und er schätzte die historische Bedeutung kultureller Leistungen. Er lenkte meinen Blick nach rechts und deutete mit dem Finger in die weite Ebene: „Hier liegt Sessenheim“, sagte er und erzählte vom Pfarrhaus der Familie Brion und Goethes Liebe zu Friederike. Dann zitierte er aus einem der „Sesenheimer Lieder“: „Es schlug mein Herz. Geschwind, zu Pferde! Und fort, wild wie ein Held zur Schlacht … Du gingst, ich stund und sah zur Erden und sah dir nach mit nassem Blick. Und doch, welch Glück, geliebt zu werden, und lieben, Götter, welch ein Glück!“ Die Pfarrerstochter hatte Johann Wolfgang von Goethe während seiner Straßburger Zeit 1770/71 zu Gedichten inspiriert, die ihn als "Sturm-und-Drang-Lyriker" auswiesen. Das alles kam meinem Vater, hier an diesem Platz oberhalb des Seebachschen Schlösschens in den Sinn.
Erinnerungen von Hubert Burda II
MIT DEN FREUNDEN ...
Es war Ende der 1950-er Jahre, als ich mich regelmäßig mit Hartmut Beck, Peter Kammerer und Günter Morstadt zum Debattieren über Kunst und Literatur traf. „Philosophenclub“ hatte mein Vater uns getauft, und wir verbrachten gemeinsame Zeit bei uns zuhause in der Schanzstraße oder im Jagdhaus meines Vaters im Stadtwald. Ich hatte noch keinen Führerschein, aber Günter, der leichtfüßige Charmeur, lenkte uns in einem Volkswagen hinaus aus der Stadt in Richtung Hohes Horn, wo wir auf einer Lichtung, ein paar hundert Meter Luftlinie vom Schlössle entfernt, anhielten. Aus dem Autoradio dröhnte „Long Tall Sally“ von Little Richard, und wir tanzten Rock'n'Roll. So sehr wir uns sonst auch mit moderner Kunst, Existenzialismus oder Avantgarde auseinandersetzten – hier oben, mit Blick auf Offenburg und die Oberrheinebene, war Little Richard unser Hero.
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